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Der „Faktor Mensch“ in ISO 27001 und TISAX

Warum Mitarbeiter*innen der Schlüssel zur Informationssicherheit sind

Informationssicherheit wird häufig mit technischen Maßnahmen in Verbindung gebracht: Firewalls, Virenscanner oder Verschlüsselungstechnologien. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass der Mensch selbst – als Anwender, Entscheider und Teil des Sicherheitsprozesses – eine entscheidende Rolle spielt. ISO 27001 (der internationale Standard für Informationssicherheits-Managementsysteme) und TISAX (Trusted Information Security Assessment Exchange, maßgeblich in der Automobilbranche) legen daher großen Wert auf den sogenannten „Faktor Mensch“. In diesem Beitrag erfährst Du, warum dieser Faktor so wichtig ist, welche Anforderungen sich aus ISO 27001 bzw. TISAX ergeben und wie Unternehmen durch gezielte Maßnahmen eine echte Sicherheitskultur etablieren können.

Warum „Faktor Mensch“?

  • Größte Schwachstelle: Studien zufolge ist der überwiegende Teil der Sicherheitsvorfälle nicht auf raffinierte Hackerangriffe, sondern auf menschliche Fehler zurückzuführen. Das kann ein unbedachter Klick auf einen Phishing-Link oder das Verwenden schwacher Passwörter sein.
  • Größtes Potenzial: Zugleich sind Mitarbeiter*innen die erste Verteidigungslinie, wenn sie sensibilisiert sind und wissen, wie sie reagieren müssen. Sie können Social-Engineering-Angriffe abwehren, sichere Arbeitsweisen etablieren und Probleme frühzeitig melden.

ISO 27001 und TISAX erkennen die Bedeutung des menschlichen Faktors – deshalb finden sich darin Anforderungen an Schulungen, Verantwortlichkeiten und die kontinuierliche Verbesserung der Sicherheitskultur.

„Menschenzentrierte“ Anforderungen in ISO 27001

ISO 27001 setzt auf ein ganzheitliches Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS), das technische, organisatorische und personelle Aspekte vereint. Zentral sind hier unter anderem:

  • Rollen und Verantwortlichkeiten:
    Die Norm fordert eine klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten für Informationssicherheit. Alle Mitarbeitenden müssen wissen, was von ihnen erwartet wird, insbesondere in kritischen Situationen (z. B. bei Sicherheitsvorfällen).
  • Schulungen und Awareness:
    ISO 27001 (Anhang A, z. B. Control 7.2.2) schreibt vor, dass Unternehmen ihre Teams regelmäßig schulen müssen, um Gefahren zu erkennen und richtig zu reagieren. Awareness-Programme und -Kampagnen stellen sicher, dass Sicherheitsrichtlinien im Alltag gelebt werden.
  • Dokumentierte Prozesse:
    In Richtlinien und Arbeitsanweisungen wird festgelegt, wie Mitarbeiter*innen sich in verschiedenen Szenarien verhalten sollen (z. B. Umgang mit Passwörtern, Melden von Sicherheitsvorfällen). Diese Dokumente bilden einen Leitfaden und einheitliche Basis für alle.
  • Kontinuierliche Verbesserung (PDCA-Zyklus):
    ISO 27001 folgt dem Plan-Do-Check-Act-Zyklus. Das bedeutet, Maßnahmen zur Förderung eines sicherheitsbewussten Verhaltens werden geplant, umgesetzt, regelmäßig auf Wirksamkeit überprüft und kontinuierlich verbessert.

TISAX und der Mensch im Fokus

TISAX ist ein Prüf- und Austauschmechanismus für Informationssicherheit in der Automobilbranche, basierend auf den Anforderungen des VDA-ISA (Verband der Automobilindustrie – Information Security Assessment). Es lehnt sich konzeptionell stark an ISO 27001 an, aber setzt zusätzlich branchenspezifische Schwerpunkte.

  • Erweiterte Anforderungen an den automobilen Kontext:
    TISAX fordert spezifische Sicherheitsmaßnahmen für den Umgang mit sensiblen Entwicklungsdaten von OEMs und Zulieferern. Mitarbeiter*innen müssen insbesondere in Bezug auf Prototypenschutz, Geheimhaltungsstufen und abgesicherte Entwicklungsumgebungen geschult werden.
  • Vertraulichkeit in der Lieferkette:
    Gerade im Automotive-Sektor ist die Lieferkette hochkomplex. Mitarbeitende in Beschaffung, Logistik und Projektmanagement müssen sich der Risiken bewusst sein, die bei Datenweitergabe an Externe entstehen (Non-Disclosure Agreements, sichere Kommunikationswege etc.).
  • Awareness durch Top-Management:
    TISAX betont wie ISO 27001, dass das Management eine Schlüsselrolle spielt. Nur wenn die Führungsebene Informationssicherheit vorlebt, werden Mitarbeitende langfristig motiviert, sich im Alltag sicherheitskonform zu verhalten.

Typische Fallstricke: Menschliche Fehler und Social Engineering

(1) Phishing & Social Engineering

Angreifer täuschen E-Mails vor, die von vertrauenswürdigen Absendern zu stammen scheinen. Mitarbeitende, die nicht für diese Tricks sensibilisiert sind, klicken schnell auf manipulierte Links oder öffnen gefährliche Anhänge.
Tipp: Regelmäßige Phishing-Tests und praxisnahe Trainings fördern ein wachsames Verhalten.

(2) Passwörter

  • Viele nutzen nach wie vor einfache oder mehrfach genutzte Passwörter.
  • Tipp: Sensibilisierung für Passwortmanager, Mindestanforderungen (Länge, Komplexität) und die Vermeidung von „Passwort-Zettelwirtschaft“.

(3) Umgang mit sensiblen Dokumenten

  • Dokumente werden versehentlich weitergeleitet oder offengelegt, weil niemand nachfragt, ob der Empfänger wirklich berechtigt ist.
  • Tipp: Klare Prozesse (z. B. Freigabeprozesse, Verschlüsselung, Klassifizierung von Informationen) und Schulungen zu den Schutzstufen.

(4) Fehlende Meldung von Sicherheitsvorfällen

  • Viele Vorfälle werden nicht gemeldet, weil Mitarbeitende Angst vor Konsequenzen haben oder nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen.
  • Tipp: Eine „No-Blame-Kultur“ etablieren. Wer einen (Beinahe-)Vorfall meldet, sollte Wertschätzung erfahren und nicht mit Schuldzuweisungen rechnen müssen.

Strategien und Maßnahmen für einen wirksamen „Human Factor“

  • Regelmäßige Awareness-Schulungen
    Kombiniere Grundlagen-Trainings (z. B. E-Learnings zu Passwortsicherheit, Erkennen von Phishing) mit vertiefenden Workshops für spezielle Rollen (IT-Admins, Management, Projektleiter*innen).
    Gestalte die Schulungen interaktiv: Rollenspiele, Quiz, Simulationen von Social-Engineering-Angriffen steigern die Lernkurve.
  • Kultur des Mitdenkens
    Schaffe ein Umfeld, in dem Sicherheitsfragen jederzeit gestellt werden können und Mitarbeitende sich nicht scheuen, Verdachtsmomente zu äußern.
    Hänge Spickzettel oder Infografiken in öffentlichen Bereichen aus, die Sicherheitstipps kurz und bündig zusammenfassen.
  • Gamification und spielerische Ansätze
    Nutze Gamification-Elemente: Punkte oder Abzeichen für Teams, die besonders sicherheitsbewusst agieren (z. B. „Sichere-Abteilung-des-Monats“).
    Belohne Ideen, die zur Verbesserung der Informationssicherheit beitragen.
  • Klare Prozesse und Zuständigkeiten
    Lege fest, wer für welchen Teil der Sicherheitsprozesse verantwortlich ist. Was tun Mitarbeitende bei einem Vorfall? Wen informieren sie?
    Ein etabliertes Incident-Management-System sorgt dafür, dass Meldungen rasch und zielgerichtet bearbeitet werden.
  • Vorreiterrolle des Managements
    Nur wenn das Management Informationssicherheit als festen Teil der Unternehmenskultur vorlebt und kommuniziert, ziehen die Teams mit.
    Führungskräfte sollten regelmäßig in Awareness-Maßnahmen eingebunden sein und eigene Schulungen besuchen.
  • Regelmäßige Kontrollen und Audits
    Interne Audits prüfen nicht nur technische Controls, sondern auch, ob die Awareness-Maßnahmen greifen.
    Erfolgsmessung durch Kennzahlen wie Meldungen von Beinahe-Vorfällen, Teilnahmequoten an Schulungen oder Auswertung von Phishing-Tests

Umsetzung in der Praxis: Best Practices

  • Awareness-Kampagnen: Anstatt sporadischer Schulungen einmal im Jahr besser kurze, wiederkehrende Kampagnen durchführen – z. B. monatliche „Security Moments“, in denen ein aktuelles Thema vorgestellt wird (etwa „Wie erkenne ich Phishing-Mails?“).
  • E-Learning & Zertifikate: Tools wie Learning-Management-Systeme (LMS) ermöglichen es, das Wissen abzufragen und den Lernfortschritt zu dokumentieren. Damit lässt sich auch bei Audits leicht nachweisen, dass Mitarbeitende geschult wurden.
  • Bot-Schulungen: Manche Unternehmen lassen Chatbot-Szenarien durchspielen („Falscher IT-Support ruft an“) und trainieren so Mitarbeitende, in kritischen Situationen umsichtig zu reagieren.
  • Verhaltenskodex: Ein übersichtlicher „Code of Conduct“ zur Informationssicherheit, der für alle Mitarbeitenden zugänglich ist, hilft, sich an Richtlinien zu halten und diese im Zweifel nachzuschlagen
Fazit: Ohne Menschen keine wirksame Informationssicherheit

ISO 27001 und TISAX sind nicht nur technische, sondern vor allem organisatorische Standards. Sie verlangen ein systematisches Vorgehen, das Menschen und ihre Verhaltensweisen in den Mittelpunkt stellt. Denn nur wenn alle Mitarbeitenden – vom Top-Management bis zum Praktikanten – das Thema Informationssicherheit verstehen und verinnerlichen, kann ein ISMS wirklich erfolgreich sein.

Der „Faktor Mensch“ lässt sich nicht einfach mit technischen Lösungen ersetzen. Sicherheitsverantwortliche müssen dafür sorgen, dass Wissen, Motivation und Verantwortung im Unternehmen kontinuierlich gefördert werden. So entsteht eine lebendige Sicherheitskultur, in der das Risiko von versehentlichen oder absichtlichen Sicherheitsverstößen minimiert wird.

Tipp zum Schluss: Halte regelmäßig Rücksprache mit Deinen Teams und fordere aktiv Feedback ein. Jede/r Mitarbeiter*in hat beim täglichen Arbeiten vielleicht eigene Ideen oder Beobachtungen, wie sich die Sicherheit weiter verbessern lässt. Diese Sichtweisen sind Gold wert – und können die Informationssicherheit im Unternehmen entscheidend voranbringen.

FAQ – Der Faktor Mensch in ISO 27001/TISAX
Warum spielt der Mensch in der Informationssicherheit eine so große Rolle?

Technische Maßnahmen wie Firewalls, Antivirus und Verschlüsselung sind nur ein Teil der Sicherheitsarchitektur. Viele Vorfälle entstehen erst durch menschliche Fehler oder Manipulationen (z. B. Phishing). Daher ist es entscheidend, dass Mitarbeitende sensibilisiert, geschult und motiviert sind, um die Sicherheitsrichtlinien zu befolgen und Risiken frühzeitig zu erkennen.

Welche Anforderungen stellt ISO 27001 an den Faktor Mensch?

ISO 27001 legt fest, dass Unternehmen regelmäßig Schulungen und Awareness-Maßnahmen anbieten müssen, Verantwortlichkeiten klar definieren und sicherheitsrelevante Prozesse dokumentieren. Ziel ist es, ein grundlegendes Sicherheitsbewusstsein bei allen Mitarbeitenden zu schaffen, damit sie in kritischen Situationen richtig reagieren können.

Was ist der Unterschied zwischen ISO 27001 und TISAX in Bezug auf den menschlichen Faktor?

TISAX orientiert sich in vielen Bereichen an ISO 27001, konzentriert sich aber stärker auf die Anforderungen der Automobilindustrie. Das bedeutet, dass Mitarbeitende insbesondere im Umgang mit sensiblen Entwicklungs- und Prototypendaten zusätzlich geschult werden müssen. Darüber hinaus legt TISAX großen Wert auf die Vernetzung in der Lieferkette und die damit verbundenen Sicherheitsaspekte (z. B. Umgang mit vertraulichen Kundendaten).

Wie kann ich meine Mitarbeitenden effektiv für Phishing und Social Engineering sensibilisieren?

Regelmäßige Phishing-Tests, interaktive Trainings und praxisnahe Beispiele sind sehr wirkungsvoll. Wichtig ist eine offene Fehlerkultur, damit Mitarbeitende sich nicht scheuen, Verdachtsfälle zu melden. Gamification-Elemente wie Punkte, Abzeichen oder kleine Wettbewerbe können zusätzlich motivieren.

Wie oft sollten Awareness-Schulungen durchgeführt werden?

ISO 27001 und TISAX geben keinen starren Rhythmus vor, empfehlen jedoch regelmäßige Schulungen und Aktualisierungen. Viele Unternehmen planen mindestens einmal pro Jahr eine Auffrischung für alle und ergänzen diese durch kurze, monatliche oder vierteljährliche „Security Moments“ oder Micro-Learnings, um das Bewusstsein dauerhaft hochzuhalten.

Was sind typische Fehler, die Mitarbeitende machen können?

Verwendung schwacher oder mehrfach genutzter Passwörter
Sorgloser Umgang mit vertraulichen Dokumenten (z. B. Weiterleitung an Unbefugte)
Öffnen von Phishing-Mails oder Anhängen aus unbekannten Quellen
Nicht oder verspätet gemeldete Sicherheitsvorfälle aus Angst vor Konsequenzen

Wie integriere ich den Faktor Mensch in ein Audit nach ISO 27001 oder TISAX?

Stelle sicher, dass alle Prozesse rund um Mitarbeitersensibilisierung, Trainings und Verantwortlichkeiten klar dokumentiert sind. Dokumentiere außerdem, wann, wie oft und mit welchen Inhalten Schulungen stattfinden, und halte deren Ergebnisse fest (z.
B. Teilnahmequoten, Feedback). So kannst Du bei einem Audit leicht nachweisen, dass Du das Thema „Faktor Mensch“ ernst nimmst und kontinuierlich verbesserst.

Was kann das Management tun, um das Sicherheitsbewusstsein zu stärken?

Führungskräfte sollten in ihrer eigenen Kommunikation, bei Meetings und durch ihr Vorbildverhalten demonstrieren, dass Informationssicherheit ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur ist. Offenheit für Fragen, schnelle Reaktionen auf Vorfälle und die Belohnung von Sicherheitsinitiativen oder Meldungen erhöhen das Vertrauen und Engagement im Team.

Wie messe ich, ob meine Maßnahmen zur Sensibilisierung erfolgreich sind?

Typische Kennzahlen sind z. B. die Ergebnisse von Phishing-Tests, die Anzahl gemeldeter (Beinahe-)Vorfälle oder die Teilnahmequote an Schulungen. Eine positive Entwicklung in diesen Bereichen (z. B. weniger Klicks auf Phishing-Mails, mehr eigeninitiativ gemeldete Verdachtsfälle) deutet auf einen gestärkten Sicherheitsfokus hin.

Welche Rolle spielen externe Berater oder Auditoren im Bereich Human Factor?

Sie unterstützen Unternehmen dabei, Awareness-Maßnahmen konzeptionell zu planen und umzusetzen. Zudem geben Auditoren im Rahmen der Zertifizierung Feedback, ob Schulungen, Richtlinien und Prozesse angemessen sind und wo noch Optimierungspotenzial besteht. Externe Perspektiven helfen oft, Betriebsblindheit zu vermeiden und neue Impulse zu setzen.

Tipp zum Schluss: Der Faktor Mensch ist keine „Einmal-und-fertig“-Aufgabe. Nur durch kontinuierliche Schulungen, eine lebendige Sicherheitskultur und vor allem das Management als Vorbild bleibt das Risiko menschlicher Fehler langfristig gering.

Stefan Stroessenreuther

Stefan Stroessenreuther

Consulting Qualitätsmanagement ISO 9001 | Personenzertifizierter IATF 16949 und VDA 6.3 Auditor | Information Security Officer ISO/IEC 27001 | Dozent IMB Integrations Modell Bayreuth | Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Qualität | Lead Auditor ISO 14001 | Lead Auditor ISO 45001 | Lead Auditor ISO 9001

Berechnung der durchschnittlichen Zertifizierungskosten ISO 9001

Qualitätsmanagement Beratung ISO 9001 - kompetent und flexibel

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