Betriebliche Prozesse ISO 9001 Praxis und Umsetzung
Transparente und wirksame betriebliche Prozesse
Ein zentrales Ziel der ISO 9001 ist es, die betrieblichen Abläufe transparent, effizient und nachvollziehbar zu gestalten. Unter betrieblichen Prozessen versteht man alle Aktivitäten, die direkt oder indirekt zur Qualität von Produkten und Dienstleistungen beitragen. Das reicht von der Entwicklung über die Fertigung bis hin zur Auslieferung und Betreuung beim Kunden.
Unternehmen, die sich nach ISO 9001 zertifizieren lassen möchten, müssen nachweisen, dass diese Prozesse geplant, gesteuert und überwacht werden. Es reicht nicht aus, einzelne Dokumente vorzuhalten. Entscheidend ist, dass die Abläufe im Alltag funktionieren und von den Mitarbeitenden verstanden und gelebt werden.
- Ziel der Norm Aufbau eines Systems, das Qualität nicht dem Zufall überlässt, sondern über geordnete Prozesse planbar und reproduzierbar macht.
- Betriebliche Prozesse im Fokus Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Logistik, Vertrieb, Service sowie die unterstützenden Prozesse im Unternehmen.
- Nachweis gegenüber Kunden und Auditoren Dokumentation, Kennzahlen und gelebte Praxis müssen zusammenpassen und ein stimmiges Bild ergeben.
Methoden und Werkzeuge für betriebliche Prozesse
Um betriebliche Prozesse nach ISO 9001 zu strukturieren und zu steuern, stehen verschiedene Methoden und Werkzeuge zur Verfügung. Sie helfen, Abläufe zu planen, Risiken zu erkennen und die Wirksamkeit der Prozesse messbar zu machen.
- Erstbemusterung Nachweis, dass ein Produkt nach Vorgabe hergestellt werden kann. Grundlage für Serienfreigabe, Kundenfreigabe und spätere Requalifizierungen.
- Prozess und Fertigungsablaufpläne Strukturierte Beschreibung, in welcher Reihenfolge ein Produkt gefertigt wird, welche Arbeitsgänge erfolgen und welche Prüfungen eingebunden sind.
- Requalifikationsprüfung Regelmäßige Bestätigung, dass Produkte auch nach längerer Zeit noch den Anforderungen entsprechen. Dient der Absicherung der Produktqualität und der Vermeidung von Reklamationen.
- Analyse von Prozessmerkmalen Betrachtung und Bewertung entscheidender Prozessparameter, zum Beispiel durch Fähigkeitsnachweise, Trendanalysen oder Kennzahlen.
- APQP Advanced Product Quality Planning Systematisierte Vorgehensweise zur Planung von Qualität in Projekten. Hilft, Risiken früh zu erkennen und gezielt zu steuern.
- Arbeitsanweisungen Konkrete Anleitungen für Mitarbeitende, wie bestimmte Tätigkeiten auszuführen sind. Unterstützen die Standardisierung im Alltag.
- PPM Rate Kennzahl für fehlerhafte Teile pro Million gelieferter Einheiten. Dient als Indikator für Prozessstabilität und Qualität.
Praxisnahe Umsetzung im Unternehmensalltag
Die Normanforderungen werden erst dann wirksam, wenn sie in die tägliche Arbeit übersetzt werden. Entscheidend ist, betriebliche Prozesse so zu beschreiben und zu steuern, dass sie für Mitarbeitende verständlich und praxistauglich sind.
- Prozessverantwortliche benennen Für Kernprozesse wie Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Vertrieb klare Verantwortliche definieren. Sie tragen die Verantwortung für Planung, Steuerung, Kennzahlen und Verbesserung.
- Prozessziele und Kennzahlen festlegen Ziele wie Liefertermintreue, Ausschussquote, Reklamationen oder Durchlaufzeiten definieren und mit Kennzahlen messbar machen.
- Risiken und Chancen prüfen Risiken in Prozessen identifizieren und bewerten, zum Beispiel durch FMEA, Reklamationsanalysen oder Lessons Learned.
- Dokumentation schlank halten Arbeitsanweisungen, Ablaufpläne und Checklisten so gestalten, dass sie in der Praxis genutzt werden und nicht nur für den Auditor existieren.
- Rückmeldung aus der Praxis einholen Mitarbeitende regelmäßig fragen, ob Prozesse sinnvoll sind, wo es Hürden gibt und welche Verbesserungen möglich sind.
Nutzen gelebter betrieblicher Prozesse für Unternehmen und Kunden
Ein strukturiertes Prozessmanagement nach ISO 9001 ist kein theoretisches Konstrukt, sondern bringt messbaren Nutzen. Es senkt Kosten, reduziert Reklamationen, erhöht Transparenz und schafft Vertrauen bei Kunden, Lieferanten und Mitarbeitenden.
- Weniger Fehler, weniger Reklamationen Durch klare Abläufe, definierte Prüfungen und Kennzahlen sinkt die Fehleranfälligkeit in Produktion und Dienstleistung.
- Mehr Transparenz Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und Schnittstellen werden klarer, Informationen sind besser auffindbar.
- Bessere Nachweisführung Kunden und Auditoren erhalten nachvollziehbare Nachweise über Qualität, Prozesse und Verbesserungen.
- Höhere Kundenzufriedenheit Stabilere Prozesse und reproduzierbare Qualität führen zu weniger Reklamationen und stärken die Kundenbindung.
- Stärkere Mitarbeiterbindung Mitarbeitende erleben klare Strukturen und wissen, was von ihnen erwartet wird. Ideen aus der Praxis fließen in Verbesserungen ein.
Planung & Methoden
Überwachung & Prüfungen
Dokumentation & Anleitungen
Prozesslandschaft, Verantwortlichkeiten und praktische Umsetzung
Für eine wirksame Umsetzung der ISO 9001 ist es entscheidend, die Prozesse nicht nur zu dokumentieren, sondern logisch, verständlich und praxistauglich aufzubauen. Die Prozesslandschaft dient als zentrales Steuerungsinstrument – alle Prozesse, Schnittstellen, Kennzahlen und Verantwortlichkeiten müssen nachvollziehbar abgebildet werden.
- Prozesslandschaft richtig strukturieren Eine übersichtliche Gliederung in Führungsprozesse, Kernprozesse und unterstützende Prozesse schafft Transparenz und dient als Grundlage für Audits und Prozessoptimierungen.
- Turtle-Diagramm für Prozessbewertung Das Turtle-Modell zeigt auf einen Blick Input, Output, Kennzahlen, Ressourcen, Verantwortlichkeiten und Risiken eines Prozesses. Ideal für interne Audits und Prozessdarstellungen gemäß ISO 9001.
- Rollen und Verantwortlichkeiten definieren Prozessowner übernehmen Planung, Steuerung und Bewertung ihrer Prozesse. Sie sind Ansprechpartner für Auditoren und stellen die Wirksamkeit der Abläufe sicher.
- Prozesskennzahlen messbar machen Kennzahlen sollten regelmäßig bewertet werden (z. B. Liefertermintreue, Ausschuss, PPM, Durchlaufzeit). Die ISO 9001 fordert nachweisbar, dass die Wirksamkeit der Prozesse überwacht und bewertet wird.
- Bewertung von Risiken und Chancen Für jeden Prozess sollten Risiken (z. B. Maschinenstillstände, Lieferengpässe, Fachkräftemangel) und Chancen (z. B. Automatisierung, Digitalisierung, Schulungen) ermittelt und Maßnahmen festgelegt werden.
- Dokumentierte Information praxisnah halten Prozessbeschreibungen, Arbeitsanweisungen, Checklisten und Formulare sollten kompakt, verständlich und leicht zugänglich sein. Nur so werden sie im Alltag genutzt und nicht ausschließlich für Audits erstellt.
- KVP und kontinuierliche Verbesserung Durch interne Audits, Reklamationsanalysen, Lessons Learned und Mitarbeiterfeedback werden Prozesse kontinuierlich verbessert. Die ISO 9001 fordert einen aktiven Verbesserungsprozess auf Basis realer Kennzahlen und Nachweise.
Prozesslandschaft nach ISO 9001 aufbauen
Die Prozesslandschaft stellt die Struktur des Unternehmens aus Sicht der Abläufe dar. Sie zeigt, wie Führungsprozesse, Kernprozesse und unterstützende Prozesse zusammenwirken und welche Schnittstellen für Qualität und Kundenzufriedenheit entscheidend sind.
- Führungsprozesse Planung, Strategie, Managementbewertung, Zielsetzung und Ressourcensteuerung bilden den Rahmen für alle operativen Abläufe.
- Kernprozesse Prozesse wie Angebotsbearbeitung, Entwicklung, Beschaffung, Fertigung, Logistik und Service, die direkt zur Wertschöpfung und zur Erfüllung von Kundenanforderungen beitragen.
- Unterstützende Prozesse Funktionen wie Personal, IT, Instandhaltung, Dokumentenlenkung oder Schulungsmanagement, die die Kernprozesse erst ermöglichen.
- Schnittstellen sichtbar machen Darstellung der Übergabepunkte zwischen Abteilungen, zum Beispiel Vertrieb an Auftragsabwicklung oder Entwicklung an Produktion.
- Grundlage für Audits und Optimierung Die Prozesslandschaft dient Auditoren und Führungskräften als Orientierung und ist Ausgangspunkt für Verbesserungsmaßnahmen.
Turtle Diagramm für Prozesse nutzen
Das Turtle Diagramm ist ein bewährtes Werkzeug, um einen Prozess strukturiert zu betrachten. Es macht klar, welche Eingaben, Ressourcen, Methoden, Kennzahlen und Ergebnisse einen Prozess charakterisieren und wie seine Wirksamkeit nachgewiesen werden kann.
- Input – Was geht in den Prozess ein Informationen, Kundenanforderungen, Materialien, Spezifikationen oder Vorgaben, die am Prozessanfang benötigt werden.
- Output – Was kommt aus dem Prozess Produkte, Dienstleistungen, Dokumente oder Entscheidungen, die an den nächsten Prozess oder den Kunden übergeben werden.
- Mit wem – Verantwortlichkeiten Rollen und Funktionen, die am Prozess beteiligt sind, inklusive Prozessverantwortlicher und Schnittstellenpartner.
- Womit – Ressourcen und Infrastruktur Maschinen, Anlagen, Software, Arbeitsmittel, Qualifikation der Mitarbeitenden und unterstützende Systeme.
- Wie – Methoden und Vorgehensweisen Arbeitsanweisungen, Verfahrensbeschreibungen, Prüfpläne, Checklisten und Standards, die vorgeben, wie gearbeitet wird.
- Woran gemessen – Kennzahlen und Nachweise Messgrößen wie Durchlaufzeit, Fehlerquoten, Liefertreue oder Reklamationen, die Aussagen zur Prozessleistung ermöglichen.
Risiken und Chancen je Prozess bewerten
Die ISO 9001 fordert, Risiken und Chancen zu identifizieren, zu bewerten und durch Maßnahmen zu steuern. Diese Betrachtung sollte mindestens pro Kernprozess erfolgen, um negative Auswirkungen zu minimieren und Potenziale zu nutzen.
- Typische Prozessrisiken Maschinenstillstände, Lieferverzug, Personalausfall, fehlende Prüfmittel, unklare Anforderungen oder unzureichende Schulungen.
- Chancen im Prozess Automatisierung, Digitalisierung, Standardisierung, Nutzung von Best Practise Lösungen, Verbesserung der Schnittstellen.
- Methoden zur Risikoanalyse FMEA, Risiko Matrix, Lessons Learned aus Reklamationen oder Audits, Workshops mit den Prozessbeteiligten.
- Maßnahmen ableiten Anpassung von Arbeitsanweisungen, zusätzliche Prüfungen, Redundanz bei kritischen Ressourcen, gezielte Schulungen, Lieferantenwechsel oder Prozessänderungen.
- Wirksamkeit überwachen Regelmäßige Überprüfung, ob eingeführte Maßnahmen die Risiken tatsächlich reduzieren und Chancen realisiert werden.
Prozesskennzahlen nach ISO 9001 definieren und nutzen
Prozesskennzahlen sind das zentrale Instrument, um die Leistung und Wirksamkeit eines Prozesses zu bewerten. Sie machen sichtbar, ob Ziele erreicht werden und wo Handlungsbedarf besteht.
- Qualitätsbezogene Kennzahlen Reklamationsquote, interne und externe Fehler, PPM Werte, Nacharbeits und Ausschussquote.
- Lieferperformance Liefertermintreue, Vollständigkeit der Lieferungen, Durchlaufzeiten und Reaktionszeiten auf Kundenanfragen.
- Effizienzkennzahlen OEE in der Produktion, Nutzungsgrad von Anlagen, Rüstzeiten, Wartezeiten und Produktivität pro Mitarbeitenden.
- Kundensicht Kundenzufriedenheit, Wiederkaufrate, Reklamationsbearbeitungszeit, Service Level.
- Zielwerte und Toleranzen Für jede Kennzahl sollten Zielwerte, Grenzwerte und Eskalationspunkte festgelegt werden, um Abweichungen strukturiert zu behandeln.
- Regelmäßige Bewertung Kennzahlen in festgelegten Intervallen analysieren, Trends erkennen und Maßnahmen definieren. Ergebnisse fließen in interne Audits und in die Managementbewertung ein.
Weiterführende interne Links zu betrieblichen Prozessen
Interne Verlinkungen sind ein wirkungsvolles SEO Instrument und verbessern die Struktur, Navigation und Sichtbarkeit Ihrer Inhalte. Die folgenden Links führen gezielt zu thematisch passenden Artikeln, die betriebliche Prozesse verständlich vertiefen und unterstützen.
- Prozesslandschaft ISO 9001 Aufbau, Struktur und Darstellung der Unternehmensprozesse für Audits und QM Systeme.
- Turtle Diagramm Methode zur detaillierten Prozessbeschreibung nach ISO 9001.
- Prozesskennzahlen ISO 9001 Definition, Bewertung und Anwendung von KPIs in Qualitätsmanagementsystemen.
- Risiken und Chancen Bewertung von Risiken und Chancen entlang der Prozesskette.
- Arbeitsanweisungen erstellen Praxisnahe Tipps zur Erstellung verständlicher und auditkonformer Anweisungen.
- Interne Audits ISO 9001 Durchführung, Planung und Wirksamkeitsbewertung interner Audits.
- PDCA Zyklus Kontinuierliche Verbesserung systematisch umsetzen.
FAQ zu betrieblichen Prozessen ISO 9001
1 Müssen alle Prozesse im Unternehmen dokumentiert werden ›
Nein. Die ISO 9001 verlangt nur, dass Prozesse dokumentiert werden, wenn es für ihre Durchführung notwendig ist. Kritische, komplexe oder sicherheitsrelevante Prozesse sollten jedoch immer sauber beschrieben sein.
2 Welche Prozesse prüft der Auditor besonders genau ›
Produktionsprozesse, prüfpflichtige Tätigkeiten, Beschaffung, Reklamationswesen, Dokumentenlenkung und Managementprozesse wie Zielsetzung und Managementbewertung stehen typischerweise im Fokus.
3 Welche Kennzahlen eignen sich für betriebliche Prozesse ›
Ausschussquote, Liefertermintreue, Reklamationsquote, interne Fehler, Durchlaufzeiten und Produktivität sind typische Kennzahlen für Prozessbewertung und Verbesserungsmaßnahmen.
4 Wie oft müssen Prozesskennzahlen bewertet werden ›
Empfehlenswert ist eine monatliche oder quartalsweise Bewertung. Spätestens zur Managementbewertung müssen alle Kennzahlen vollständig vorliegen und bewertet sein.
5 Was ist der größte Fehler bei Prozessbeschreibungen ›
Zu viel Theorie, zu wenig Praxis. Viele Prozessbeschreibungen werden zu komplex erstellt und nicht gelebt. Dokumente sollten kurz, verständlich und praxistauglich sein.
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